Liebe Eltern, liebe Paare, liebe Individualist*innen

Wie fühlen sich Kinder und Jugendliche, wenn sie Grenzen gesetzt bekommen?

Wieso sind sie trotzig, widerspenstig und ungehorsam – und wann tun sie tatsächlich das, was wir von ihnen wollen?

Ich finde, um zu verstehen, wie „gehorchen“ geht, bietet die Corona-Zeit eine Chance der Selbsterfahrung. Nie zuvor wurde ich als Erwachsene so begrenzt, wie im Moment. Und diese Erfahrung, diese ungewohnten Grenzen lassen mich spüren, wie Grenzsetzung funktioniert. Ich kann bewusst wahrnehmen, wann ich sie akzeptiere, wann ich sie nicht einsehe und wann ich sie nicht hören will.

Ganz klar gehorche ich beim Thema Corona erstmal aus Angst. Angst um mein Leben und das Leben meiner Nächsten und Liebsten. Um gehorchen zu können, helfen die tragischen Bilder in den Nachrichten aus anderen Ländern. Bilder aus Italien, wo die Särge von Lastwagenkolonnen abtransportiert wurden, Bilder von Kühlwagen für die Leichen in New York. Wenn ich sie sehe, begreife ich den Ernst der Lage und die Wichtigkeit, sich an die Regeln zu halten, also, zu gehorchen.

Ich gehorche auch, weil dieses Covid 19 fremd für mich ist und ich eine klare Orientierung brauche im Umgang mit dem Neuen, das mich verunsichert.

Mir wird immer wieder erklärt, Händewaschen und Abstandhalten hilft als Überlebensstrategie. Ich kann dies verstehen, wasche mir die Hände und halte Abstand, dass gibt mir das Gefühl von Sicherheit.

Bei der Verkündung von weiteren Maßnahmen und Bußgeldandrohungen ertappe ich mich, wie ich diese infrage stelle. Ich merke, um die Vorschriften zu akzeptieren, brauche ich weitere Informationen. Ich vergleiche die neuen Regeln mit Maßnahmen in anderen Ländern und Bundesländern. Ich verhalte mich an diesem Punkt so wie Kinder und Jugendliche es tun, wenn sie sagen: „…die anderen aus meiner Klasse dürfen alle…!“. „Ja,“ denke ich, „warum dürfen die Schweden weiter ausgehen, und wir nicht?!“ Ich muss die Maßnahme verstehen und einsehen, dann erst bin ich bereit, sie zu befolgen.

Nach dem ich mich anstrenge, mich an die Regeln zu halten, melden sich meine Bedürfnisse. Der Wunsch nach Umarmung etwa, der, mal wieder rauszugehen, mein Zuhause zu verlassen, unter Leuten zu sein, mal etwas mit anderen zu erleben. Dann überlege ich, wie kann ich die Grenze ausdehnen ohne sie zu wirklich zu übertreten? Nur ein bisschen, so wie unsere Kids es machen, wenn sie einfach zehn Minuten später nachhause kommen, weil das Bedürfnis nach Selbstbestimmtheit so groß ist. So fühlt sich für mich das Vorhaben an, draußen Freunde zu treffen, natürlich mit dem Abstand.

Nach sieben Wochen werde ich jetzt ungeduldig und ich wünsche mir sehnlichst die Grenzen wären wieder offen und ich könnte mich wieder frei und selbstbestimmt fühlen.

Leider ist dem noch nicht so, es bedarf für mich weiterhin vieler Informationen, damit ich diese Einschränkungen tragen und ertragen kann. Ich brauche Transparenz beim Entwickeln der Maßnahmen, ein öffentliches Abwägen von Pro und Contra der einzelnen Regeln, das Gefühl, man darf seine Meinung sagen und wird gehört.

Dieses Erleben bietet die Möglichkeit, nachzuvollziehen wie es Kindern und Jugendlichen geht, die Grenzen gesetzt bekommen. Und wie wichtig zum Einhalten dieser, die Einsicht und das Verstehen des Warums ist. Und auf der anderen Seite ist es hilfreich zu spüren, wie elementar der Wunsch nach Selbstbestimmtheit für uns ist.

Auch wenn das Foto nicht ganz so still aussieht – das Spiel geht so :
Einer denkt sich ein Wort (einen Satz) aus und flüstert dies Wort dem anderen ins Ohr, der wiederum flüstert das Wort welches er verstanden hat dem nächsten ins Ohr , der wiederum flüstert das Wort welches er verstanden hat.., der letzte der Gruppe darf dann das verstandene Wort sagen!